Visuelle Kommunikation im Change Management

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Im Speziellen bezeichnet Visualisierung den Prozess, sprachlich oder logisch nur schwer formulierbare Zusammenhänge in visuelle Medien zu übersetzen, um sie damit verständlich zu machen. Weiterhin wird Visualisierung eingesetzt, um einen bestimmten Zusammenhang deutlich zu machen, der sich aus einem gegebenen Datenbestand ergibt, der aber nicht unmittelbar deutlich wird.“ (Wikipedia)

Visualisierung ist ein von seiner Bedeutung her stark wachsendes Thema. Das hängt damit zusammen, dass wir in allen Lebensbereichen mit zunehmend komplexen Situationen konfrontiert werden. Begleitet durch die mediale Vernetzung stehen uns in Summe immer dichtere Informations- und Datenmengen zur Verfügung und die zentrale Frage ist stets dieselbe:

Wie vermitteln wir diese Komplexität? Wie können wir die Kernaussage sichtbar und verständlich machen?

Visualisierung und Komplexität

visualize_businessnetwork2Komplexität und Dichte verständlich darzustellen ist eine zentrale Aufgabe von Visualisierung. Daher sind in den letzten Jahren weltweit immer mehr visuelle Ansätze und Verfahren entwickelt worden.

Allein im Bereich funktionale Visualisierung haben die Experten von www.visualcomplexity.com mehr als 650 Ansätze zusammengetragen.  Darunter dutzende Darstellungsformen  für die Visualisierung von Netzwerken z.B. im Bereich Knowledge, Business oder Soziale Kontakte.

Darstellungsformen in Changeprozessen

Auch in Unternehmen und speziell in Veränderungsprozessen treffen wir auf eine Praxis, wo Visualisierung immer häufiger auf genau diese Weise eingesetzt wird: nämlich zur verständlichen Darstellung von komplexen Sachverhalten. Ich will mich hier auf die Ansätze konzentrieren, die ich in der Praxis von Veränderungsprozessen erfolgreich selber eingesetzt oder beobachtet habe.

Zuerst einmal lassen sich aus meiner Beobachtung drei Hauptstränge unterscheiden:

  1. Illustrative Visualisierung: meist per Hand gezeichnete Bilder, die Anleihen aus Illustration, Piktogramm, Comic u.ä. individuell zusammenführen. Als Beispiel die Visualisierung einer Meetingsituation, die so eine zweite Ebene von Beobachtung und Reflexion eröffnet.visualrecorder
  2. Grafikdesign: meist durch Agenturen konzipierte Lösungen, die der Bildsprache von Marketing und Werbung verpflichtet sind springende-fische
  3. Toolgestützte Visualisierung: wird im Computer nach Dateneingabe erzeugt. Vor allem durch den Siegeszug des Internets sind viele neue kreative Ansätze jenseits von Excel-Graphen entstanden. Manches ist auch sehr gut außerhalb des Web einsetzbar. – Beispiel „Wordcloud“ von www.wordle.net. Hier gefüttert mit dem Text von Obamas Antrittsrede. Das Ergebnis zeigt sehr plakativ die sprachlichen Schwerpunkte von Obamas Rede.

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Nutzen von Visualisierung in der Change Kommunikation

Doch der Nutzen von Visualisierung im Change geht über die Reduktion von Komplexität weit hinaus. Die unterschiedlichen Formen von Visualisierung spielen eine zunehmend zentrale Rolle in der Change Kommunikation. Auf der einen Seite als Kommunikationsmedium – auf der anderen Seite als bewußt eingesetzte Intervention.

Je nach Einsatz lassen sich viele der folgenden Aspektze in ihrem Nutzen kombinieren. Und dann entfaltet Visualisierung auch all Ihre Kraft:

  • Orientierung
  • Appell
  • Auflockerung
  • Reflexion/Spiegelung
  • einfacher Zugang zu Emotionen, nicht-rationale Ansprache
  • Formulierung schwieriger oder tabuisierter Themen
  • Kombination mit Humor
  • spielerisch-kindliche Ansätze zur Erzeugung von Leichtigkeit in schwierigen Themen

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Auswahl an  Beispielen in Stichworten

Auf Veranstaltungen, Großgruppenkonferenzen, Tagungen, Workshops. Wird in Fachkreisen als „Visual Facilitation“ bezeichnet. Beinhaltet verschiedene Möglichkeiten: Interaktiv mit dem Publikum, als eigener Visualisierungs-Workshop oder begleitend, kontrastierend, kommentierend.

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Für Diagnoseprozesse: Einbeziehung vieler Mitarbeiter über Workshops, Ergebnisse zusammenführen und von Illustrator ausführen lassen, Review durch Mitarbeiter und Korrekturmöglichkeiten, dann Entwurf finalisieren – Visualisierung ist Status Quo und kann als Startdiskussion z.B. ein Worldcafe eröffnen- hier anhand der Visualisierung Dialog entfachen: Wie ist es aktuell? was ist gut, was ist nicht so gut? – wie müsste es sein? Auf Grundlage der visualisierten IST-Situation (Beispiel s.u.) können auch unangenehme Themen mit Humor und Leichtigkeit angesprochen werden.

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Prozessvisualisierung (als Alternative zu ARIS-EPK´s): Prozesslandkarten sind auch für Laien verständlich, würden aber, angereichert mit einer kreativen Visualisierungsidee, sehr viel anziehender und attraktiver daherkommen. Schwieriger wird es da schon bei EPK´s: Von Fachleuten für Fachleute entwicklet, werden EPK´s, mangels Alternativen, immer wieder eingesetzt, um neue Prozesse auch allgemein zu kommunizieren. Nun ist eine EPK eine Visualisierungsform, die vom Betrachter Einiges abverlangt an Übung, Lernbereitschaft und logischem Abstraktionsvermögen. Manchmal scheitert es einfach an diesem Abstraktionsvermögen, das viele Zeitgenossen schlichtweg nicht so weit ausgebildet haben wie die Prozessexperten (haben wirklich nicht alle! also wenn Sie sich mal nicht verstanden fühlen bei einer Prozessschulung: es könnte daran liegen, dass Ihren Zuhörern einfach dieses Abstraktionsvermögen fehlt… schon mal drüber nachgedacht?)

Sehr gute Erfahrungen haben wir bei der Kommunikation von Prozessen in die Breite mit folgenden Lösungen gemacht: Bildgeschichten geshootet im Büroalltag (wie Bravo-Fotolovestory), reduziert auf die zentralen Prozessschritte oder auch als Lernclip mit Rahmen-Story und comicartigem Männchen für Kommentare, Erläuterungen etc

So werden Prozesse erlebbar, können leicht auf den Arbeitsalltag übertragen werden und mögliche Widerstände werden allein schon über die Darstellungsform reduziert, die sich an den Standards und der Bildwelt des Büroalltags orientiert. Einwände und Argumentationen können in die Darstellung direkt mit einbezogen werden.

(Beispielbilder gerade nicht verfügbar)

Visual Clips: Umsetzung z.B. als Comicstrip, einfache Animation oder Mediaclip zur Verbreitung über Intranet, Internet, CD-Rom oder auch zur Präsentation auf Veranstaltungen. Bestens auch geeignet, um ganze Geschichten zu erzählen (Visual Storytelling) oder schwierige Themen einfach zu erklären.

Bsp. aus YouTube: Was ist ein Wiki?

Klassische Visualisierung wie wir sie aus Marketing und Werbung kennen: Beispiele aus der Kommunikation rund um Reorganisationen

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Fazit

Ich glaube, Visualisierung spielt schon heute eine zentrale Rolle in der Change Kommunikation. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Menschen gerade in Veränderungssituationen oft sehr emotional agieren. visual_transformVisuelle Kommunikationsformen bieten den Menschen einen Resonanzboden mit sehr niedrigen Schwellenwerten. Das heißt, Schlüsselbotschaften können sehr leicht aufgenommen werden. Identifikationsangebote entstehen – Themen und Menschen setzen sich in Bewegung.

Das schaffen natürlich auch andere Kommunikationsformen, die auf der Sinnesebene arbeiten und die sich gut in Kombination oder als Ergänzung zu visuellen Formen anbieten … aber das ist ein Thema für einen neuen Artikel… etwa über „Emotionen und Wahrnehmung im Change“. Dazu ein andermal mehr 🙂

Mich würden Ihre Erfahrungen und Ergänzungen interessieren. Fragen, Anregungen, Feedback sowieso 🙂

12 Antworten to “Visuelle Kommunikation im Change Management”


  1. 1 alexander schilling 9. Februar 2009 um 14:16

    Visualisierung als Change-management-tool

    Ich kann nur betstätigen, dass der Einsatz von Visualisierung change-Prozesse in Bewegung bringen kann.
    Dazu nachstehend eine kleine Fallstudie:
    Ein Kunde, die Personalabteilung eines Unternehmens, hatte das Problem, dass es eine festgefahrene Meeting-Struktur hatte und bei Veränderungsversuchen mit großen Widerständen konfrontiert war. Die interaktive Visualisierung der Struktur der allen Betroffenen zur Verfügung gestellte wurde, trug dazu bei, dass sich der Widerstand gegen neue Strukturen in einen Diskurs verwandelte und sich daraus die Forderung und Vorschläge für unerwartete neue Strukturen ergaben. Bildbeispiele unter http://www.raumfuer.de/navigator.htm

  2. 2 changekomm 9. Februar 2009 um 14:25

    Danke für das Beispiel Alexander. Es zeigt, wie vielfältig und lebendig das Thema ist und wie breit die Einsatzmöglichkeiten.

    Viele Grüße
    Michael Kucht

  3. 3 Jochen Schuchardt 10. Februar 2009 um 23:12

    Ich denke, die Power der Visualisierung liegt in der Reduktion der Komplexität, in der Zuspitzung von Botschaften und dem Ansprechen der Emotionen. Alle drei Aspekte steigern die Bereitschaft, sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Die Beispiele in dem Beitrag zeigen dies, wie ich finde, sehr schön.

    In der Praxis erlebe ich oft, dass Menschen anfänglich einer Visualisierung skeptisch gegenüber stehen. Diese Skepsis ist um so größer, je kindlicher Visualisierungen werden. Die Strategie z.B. in Form eines Wimmelbildes der Kinder zu kommunzieren, in dem man immer mehr Szenen des jetzigen und des zukünftigen Zustandes finden kann, passen oftmals (noch) nicht in das Bild ernsthafter Strategiearbeit. Textbasierte Folienschlachten, komplexe Charts oder Kartenabfragen üben offenbar immer noch einen recht hohen Reiz aus.

    Ich denke aber, je mehr die Visualisierung in der Unternehmens- und Projektkommunikation in verschiedensten Varianten Einzug hält, um so selbstverständlicher wird es, komplexe Sachverhalte „beiden Gehirnhälften anzubieten“. Die Kombination von Verstand und Emotion/ Kreativität erzeugt Energie, um von der reinen Information zur Initiative und Identifikation zu kommen. Visualisierungen mobilisieren.

    Ich denke, der Erfolgskurs der Visualisierung in der Veränderungs-, Unternehmens- oder auch Projektkommunikation und Moderation ist nicht mehr aufzuhalten. Man muss sich nur trauen, Dinge im wahrsten Sinne des Wortes auch mal anders zu sehen und zu machen.

    Der Einsatz der Visualisierung in der Veränderungskommunikation ist somit selbst ein Change-Thema…

  4. 4 changekomm 11. Februar 2009 um 09:12

    Wow, Danke für die tollen Ergänzungen! Ich glaube, viele wichtige Schritte in die richtige Richtung sind schon gemacht worde, einige harren noch auf ihren Tag. Aber der wird sicher kommen 🙂

  5. 5 Jochen Peter Breuer 17. Februar 2009 um 18:50

    Danke Michael für die professionnelle Aufbereitung ;))

    Teilnehmer selbst visualisieren lassen zu Anfang eines Workshops

    Wir arbeiten seit 1990 mit Visualisierung, insbesondere durch die Teilnehmer selbst. So haben wir z.B. über 200 Gemälde von deutschen und französischen Managern, zu der Frage: „So nehmen wir uns im Arbeitsleben wahr.“

    Die Bilder, jeweils in 20 Minuten entstanden, zeigen sehr plastisch die jeweiligen Wahrnehmungen auf. Sie sind bereits mehrfach ausgestellt worden und auch im TV gezeigt worden: Video: „So sehen wir die Franzosen“ http://www.daserste.de/moma/livebeitrag_dyn~uid,bywsnhzt0ela4sij~cm.asp

    Damit kommt man sehr schnell in eine Thematik rein. In diesem Fall war es deutsch-französisches Mangement. Bei einer Kooperationsproblematik kann man das Gleiche auch mit der Frage: „So erleben wir unsere Kooperation“ erreichen.

    Da bei den Gemälden auch viel Unbewusstes mit gemalt wird, kann ein guter Moderator darauf sehr gut aufbauen.

    Visualisieren heilt!

    Seit wir „emotionale Viren“ visualisieren (http://blog.he2be.ch/2009/02/03/emotionale-viren-in-unternehmen-aufdecken/) haben wir festgestellt, dass Visualisieren heilt.

    Durch die -humorvolle- Darstellung von Tabuthemen, „heissen Kartoffeln“, Interessenkonflikten und schwieriger Historie kommt ein Heilungsprozess in Gang. Das Leidensgefühl verliert an Kraft, die anfängliche Betroffenheit macht einer Er-Leichterung Platz. Im Prinzip das gleiche Gefühl wie bei einem (endlich) geständigen Kriminellen, der froh ist, die Wahrheit gesagt zu haben. Je mehr das Bild das empfundene Kernproblem trifft (reduce complexity), umso grösser der Heilungseffekt.

    In einer Organisation führt dies dazu, dass blockierende Themen, die emotional aufgeladen sind, an die Oberfläche kommen. Durch einen externen Mediator kann das Thema somit professionnel begleitet und aufbereitet werden. Die „mentale Verschmutzung“ in der Organisation kann so abgebaut, und die sogenannten „Sachprobleme“ können sehr oft erstaunlich gelöst werden.

    Ich werde dazu in Zukunft noch mehr berichten.

  6. 6 changekomm 18. Februar 2009 um 11:11

    Hallo Jochen-Peter,

    das klingt beeindruckend, wie Du Euren Ansatz beschreibst.

    Das ist aus meiner Sicht „Facilitation“ auf hohem Niveau. Facilitation meint ja nichts anderes als „erleichtern“. Change Facilitation wäre dann, Veränderung zu erleichtern…

    Die Ansicht teilen sicherlich alle, die Erfahrung mit Visualisierung haben: Je schwieriger die Situation, je unaussprechlicher manche Ansicht oder Meinung geworden ist, desto Festgefahrener. Wo etwas Fest-gefahren ist, ist somit auch wenig Bewegung möglich, geschweige denn Veränderung. Wenn nun aber Anteile des Unaussprechlichen in Bildern visualisiert werden, wirkt das erleichternd… Und eine Bewegung und Entwicklung/Veränderung wird wieder möglich…

    Ich bin gespannt, was Du noch zu berichten hast.

    Herzliche Grüße
    Michael

  7. 7 Peter Rubin 29. Juni 2009 um 14:11

    ich bin ein ‚visualisierer‘ – ich nutze die Technik des Visualisierens schon seit ca 1990… um mal wieder ‚Gehen‘ zu können – so einfach ist das. Bereits kurz nachdemn ich aus dem Koma erwacht bin, begann ich mit Visualisierungsübungen… bis heute ohne Unterbrechung,jeder Tag zählt.

    Michael, du schreibst: Je schwieriger die Situation, je unaussprechlicher manche Ansicht oder Meinung geworden ist, desto Festgefahrener. Wo etwas Fest-gefahren ist, ist somit auch wenig Bewegung möglich, geschweige denn Veränderung. Wenn nun aber Anteile des Unaussprechlichen in Bildern visualisiert werden, wirkt das erleichternd… Und eine Bewegung und Entwicklung/Veränderung wird wieder möglich…

    Ich sitze zwar immer noch im Rollstuhl und Fortschritt ist verkleidet als Schnecke…aber OHNE Visualisierungstechniken
    wäre ich noch weiter zurück..Peter Rubin, Dichter dran

  8. 8 changekomm 29. Juni 2009 um 19:44

    Lieber Peter Rubin,

    herzlichen Dank für diesen persönlichen Beitrag.

    Mit Ihren Erfahrungen weisen Sie uns den Weg vom Business zur eigenen Person. Gleichzeitig bestätigen Sie mir, dass die wirklich guten Methoden und Techniken im Change Management (wie Visualisierung) dem ‚wirklichen‘ Leben abgeschaut sind.

    Ich wünsche Ihnen viel Geduld und Erfolg bei Ihrem anspruchsvollen Veränderungsprozess

    Michael Kucht

  9. 9 visumate 21. Mai 2012 um 17:27

    Vielen Dank für den sehr interessanten Artikel. Ich lese aktuell ein Buch das sich einen sehr ähnlichen Ansatz verfolgt: Business Model Generation (http://www.businessmodelgeneration.com)

    Dort geht es darum mittels (visuellen) Kreativtechniken Geschäftsmodelle darzustellen und anschließend zu analysieren. Ich bin zwar noch nicht fertig, jedoch finde ich die Ideen sehr anregend.

  10. 10 changekomm 21. Mai 2012 um 18:18

    Danke für den sehr coolen Link!


  1. 1 Visualisierung heilt! - Business is human Trackback zu 18. Februar 2009 um 11:26
  2. 2 Kommunikation von Reorganisationen | changekomm-Blog Trackback zu 20. März 2014 um 19:30

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Michael Kucht von changekomm

Michael von changekomm

Michael begleitet seit vielen Jahren Strategie- und Changeprozesse. In diesem Blog teilt er Beobachtungen, Wissen und Erfahrungen.

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